Kate Mitchell gestaltet die Oper als Traum von Mélisande, der SängerInnen, der Besucher. Wie in einem Traum treten Mélisande und die rivalisierenden Männer gleichzeitig auf, wie sie es in ihren Phantasien können. Golaud findet Mélisande verängstigt im Wald, bringt sie in sein Schloss und heiratet sie. Mélisande trifft im Schloss auch Pelléas, den Halbbruder von Golaud, und verliebt sich gleich in ihn, wie sie später bekennt. Mélisande sagt mehrmals, dass sie sich im Schloss nicht glücklich fühlt. Eine Leben mit Pelléas ist nicht möglich und sie stirbt nach der Geburt ihrer Tochter. Aus Eifersucht hat Golaud Pelléas erschlagen, die wichtigste Frage für den Ehemann am Totenbett seiner Frau ist, ob sie mit Pelléas geschlafen hat.
Foto: Pascal Victor

Die Handlung verläuft auf mehreren Ebenen, die gezeigten Symbole sind vieldeutig. Der Besucher wird ermutigt, seine eigenen Deutungen zu bilden und sich selbst den Handlungsverlauf auszumalen. Lizzie Clachan hat das Bühnenbild horizontal zweigeteilt, die Teile werden wechselnd geöffnet und geschlossen. Die SängerInnen wechseln zwischen ihnen und verändern sich dabei. Vertikal ist der größere Teil des Bühnenbilds zeitweise in drei Ebenen geteilt, es entspricht aber nicht einer Aufteilung ins Imaginäre, ins Reale und ins Symbolische von Lacan noch der Dreiteilung Freuds. Alles hat eine Bedeutung, aber die Deutung ist individuell. Z.B. welche Bedeutung hat das leere, angejahrte Schwimmbad. Ist es die letzte Zuflucht der Liebenden? Ist es das wahre Zentrum des Lebens?

Esa-Pekka Salonen gestaltet perfekt das lyrische Drama. Die Besucher baden sich in der Musik von Bizet und danken allen Mitwirkenden mit Ovationen.


Redaktion: Dr. Georg J. Vigier,
Kulturnetz Juli 2016
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