Festival
d'Aix-en-
Provence


Festival d'Aix-en-Provence 2015:

Alcina

2., 4., 10., 12., 16., 18. und 20. Juli 2015, 19 bis 23 h im GRAND THÉÂTRE DE PROVENCE    

Dirigent Andrea Marcon
Regisseurin Katie Mitchell
Alcina Patricia Petipon, Sopran
Ruggiero Philippe Jaroussky, Countertenor
Morgana Anna Prohaska, Koloratursopranistin
Bradamante Katarina Bradic, Mezzo-Sopran
Oronte Anthony Gregory, Tenor
Melissso Krzystof Bazyk, Bass
Orchester Freiburger Barockorchester

"Alcinda", Fotos: Patrick Berger  

Durch Zauberkraft haben Alcina und ihr Schwester Morgana für sich eine Insel ewiger Schönheit und Jugend geschaffen, zu der Männer magisch angezogen werden. Abgelegte Liebhaber werden als Tiere entsorgt oder besser als Tierpräparate der Erinnerung in Vitrinen aufbewahrt. Dies ist besser als Fotos und sehr dekorativ. Mit dem britischen Humor der Regisseurin Katie Mitchel haben sich die Schwestern von Fifty Shades of Grey inspirieren lassen, Morgana sehnt sich nach leichtem Fesseln mit kleinen Peitschenhieben, Alcina will nur ihren Geliebten Ruggiero in jeder Hinsicht fesseln.

Bramante kommt als Mann verkleidet auf die Insel, um ihren Verlobten Ruggiero wiederzugewinnen. Morgana verliebt sich sofort in Bramante, doch Bramante ist etwas unbedarft und muss sich ihre Hände im Liebesspiel mit Morgana von den Dienerinnen führen lassen. Das Bett, in dem Alcina ihr Glück mit Ruggiero immer wieder findet, steht in der Mitte von Bühne und Zauberinsel. Im Dachboden des Hauses ereignet sich das sonst verdrängte Böse: Eine Maschine verwandelt leblose Liebhaber in Tierpräparate.

Alcina

Mit moralischen Appellen gelingt es Bramante schließlich, Ruggiero von Alcina, der Zauberin der Liebe, loszureißen und wieder zu Geborgenheit und Pflicht an Bramantes Seite zu führen. Ruggiero muss sich als Held nicht nur im Bett, sondern auch auf dem Schlachtfeld erweisen und die Kräfte der Zauberinsel vernichten. Alcina klagt in tiefer Trauer über den Verlust ihres treulosen Geliebten und ihrer Schönheit.

Die Händel-Oper bietet ein breites Spektrum von Liebe, Emanzipation, Eifersucht, Zweifel, Verzweiflung und Kummer. Patricia Petibon begeistert als Alcina mit überragendem Gesang und lustvoller Darstellung. Der Countertenor Philippe Jaroussky als Ruggiero ist überzeugend, hat es aber schwer, sich neben der Rolle von Alcina zu behaupten. Der Dirigent Andrea Marcon beweist mit dem Freiburger Barockorchester, dass die Musik von Georg Friedrich Händel viele große Erlebnisse erschließt. Sängerinnen und Sänger fanden ihre Unterstützung in einem souveränen Orchester. Die Regisseurin Katie Mitchell hat mit Alcina ihren großen Wurf gelandet: Die Aufführung ist einerseits sehr humorvoll, andererseits eröffnet sie eine große Breite von Charakteren und der Deutung von Gefühlen, der Kampf gegen das Alter und den Verlust der Schönheit, das Gewinnen und Verlieren der Liebe, Schwesternliebe und –hass, nachdenkliche Sieger, unverzichtbare Hilfen. Mit großem Jubel bedankte sich das Publikum für die Aufführung.

 

 

Redaktion: Dr. Georg J. Vigier, Kulturnetz     Juli 2015